Glasplattennegativ: Zeichnung eines Kasel-Stoffmusters
Im Speyerer Dom waren zwischen 1039 und 1308 elf Könige, Kaiser und Kaiserinnen der salischen Dynastie und nachfolgender Herrschergeschlechter bestattet worden. In den Jahren 1900 bis 1906 wurde im Dom eine Grabungskampagne durchgeführt. Ziel der am 16. August 1900 im Königschor begonnenen Grabungen war die Suche nach den Überresten der in der Krypta begrabenen Kaiser/innen und Könige. Zu dem damaligen Zeitpunkt war unklar, wo sich die Gräber in der bald 1000 Jahre alten romanischen Kathedrale befanden. Es stellt sich die Frage, ob die Gräber überhaupt noch vorhanden seien oder ob sie durch die Plünderungen im Pfälzischen Erbfolgekrieg zerstört worden waren. Bis zum 2. September desselben Jahres wurden von einer Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften unter der Leitung des Historikers Hermann Grauert 18 Gräber mit 20 Bestattungen geöffnet und untersucht. Ihre Inhalte wurden sicher gestellt und sie selbst in einer neuen und zugänglichen „Kaisergruft“ unterhalb des östlichen Langhausjochs untergebracht. Im Königschor des Speyerer Domes befanden sich in geringem Abstand zur Salierreihe fünf Gräber eng nebeneinander, in der Bischöfe bestattet wurden (für drei Gräber sind Bischofsstäbe gefunden worden). Die Höhenlage der Gräber war ungefähr dieselbe. Sie lagen in einer Aufschüttung, die diejenige der Königsreihe fortsetzte. Bei einem der Gräber hatte man sich offenbar eines älteren Steinsarges bedient. Die vier anderen Gräber waren aus Backstein gemauert. Die Gräber wurden Ende August 1900 gefunden und die Inhalte gehoben. Die historische Fotografie zeigt eine Musterzeichnung der Kasel aus dem Sarkophag-Grab in der Mitte der Bischofsreihe, in der Längsachse des Domes. Die Bleistiftzeichnung ist von Julius Lessing am 28. August 1900 angefertigt worden. Sie zeigt das Muster des Obergewandes: ein Kreis mit einer stilisierten Palmette ist von einem Rahmen umschlossen, der mit aufgerollten Blättern gefüllt ist und nach oben spitz in einer lilienförmigen Blüte ausläuft; daneben verläuft auf einem hohen Stengel eine andere Palmette. Kommentiert ist die Zeichnung mit dem Zusatz: "ganz feiner orientalischer Stoff XI. Jhh. erste Hälfte." Die Kasel ist ein Seidengewebe, dessen Durchmesser laut Rekonstruktion 280, seine vordere Höhe 115, seine rückwärtige Höhe 118 cm betrug. Der Stoff ist islamisch und wird ins 11. Jahrhundert datiert. Der Seidenstoff war ursprünglich wahrscheinlich dunkelrot oder dunkelviolett und besaß ein geritztes Muster, das wohl eines jener Kreismuster und Spitzovalmuster zeigte, wie sie für die Seidenweberei um die Jahrtausendwende besonders charakteristisch sind.